Seit 2009 ist der Schweizer Strommarkt teil-liberalisiert…
Das heisst:
  • Grosskunden mit einem Jahresverbrauch von über 100’000 Kilowattstunden können ihren Lieferanten frei wählen. Wenn aber ein Unternehmen in den freien Markt wechselt, kann es nicht mehr in die Grundversorgung zurückkehren. In der Grundversorgung sind für den Strompreis die Gestehungskosten entscheidend.
  • Das 6700 Kilometer lange Stromübertragungsnetz bleibt ein Monopol. Swissgrid managt dieses Übertragungsnetz. Swissgrid gehört den grossen Schweizer Energiegesellschaften.
  • Die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom überwacht als unabhängiger staatlicher Regulierer die Liberalisierung des Strommarkts, die Strompreise und die Versorgungssicherheit und regelt Fragen zum internationalen Stromtransport und -handel.

Harziger Start…

Nach der Teil-Liberalisierung entwickelte sich kein Markt. Grund: Nur ganz wenige grosse Firmen wechselten von der Grundversorgung in den freien Markt. Die Firmen wechselten deshalb nicht, weil die Marktpreise in Europa damals weit höher waren als die in der Grundversorgung zulässigen Gestehungskosten. Mit andern Worten: Wer in der Grundversorgung blieb, profitierte von tiefen Strompreisen.

In den letzten Jahren hat sich das geändert. Billiger Kohlestrom und milliardenschwerde Subventionen in deutschen Öko-Strom haben die Marktpreise massiv fallen lassen. Immer mehr Schweizer Unternehmen wollen davon profitieren und wechseln in den Markt.

Warum ein Energieabkommen mit EU…

Strom ist ein internationales Gut. Physikalisch spielen Landesgrenzen keine Rolle. Die Schweiz ist bereits heute stark mit dem europäischen Strommarkt vernetzt. Seit Mitte 2007 ist in allen Ländern rund um die Schweiz der Strommarkt auch für private Haushalte geöffnet. Und bereits 2015 wird der Strombinnenmarkt in der ganzen EU Realität.

Durch ihre zentrale Lage in Europa ist unser Land eine wichtige Stromdrehscheibe Europas. Zwar macht der Schweizer Stromverbrauch am europäischen Gesamtverbrauch bloss drei Prozent aus, doch über die Schweiz laufen elf Prozent der europäischen Stromflüsse. Und je mehr in Europa erneuerbarer, unregelmässig anfallender Strom produziert wird, umso wichtiger wird die Schweiz als Stromspeicher. Im Interesse der Versorgungssicherheit wollen die Schweiz und die EU ein Energieabkommen abschliessen. Ein solches Abommen bedingt allerdings, dass die Schweiz ihren Strommarkt vollständig öffnet.

Inhalte des Energieabkommens…

Das Abkommen soll den grenzüberschreitenden Stromhandel regeln und Sicherheitsstandards harmonisieren. Folgende Elemente stehen zur Diskussion:

  • Diskriminierungsfreier Netzzugang.
  • Unabhängige Regulierungsbehörde und Übertragungsnetzbetreiber.
  • Regeln für den grenzüberschreitenden Stromhandel. Der heute privilegierte Bezug französischen Atomstroms durch die Schweiz muss diskriminierungsfrei gelöst werden.
  • Harmonisierte Sicherheits- und Betriebsstandards sollen Überlastungen im Netz verhindern. Solche Überlastungen waren 2003 der Hauptgrund des «Blackout» in Italien.
  • Gegenseitig freier Marktzugang.
  • Teilnahme an EU-Gremien zur Mitgestaltung der Strommarktentwicklung.
  • Einbezug der EU-Richtlinie zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Dadurch kann sich die Schweiz bei den erneuerbaren Energien europaweit vernetzen und positionieren. Im «Gegenzug» muss die Schweiz ein nationales Ziel für den Anteil von Strom, Wärme und Treibstoffen aus erneuerbaren Quellen festlegen.
Die 2007 aufgenommenen Verhandlungen zu einem Energieabommen sind auf der Zielgerade. Der technische Teil ist eigentlich unterzeichnungsreif. Doch mit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative des Schweizer Volks am 9. Februar 2014 hat die EU die weiteren Gespräche erst mal sistiert. Dies deshalb, weil die Initiative das für die EU fundamentale Grundrecht der Personenfreizügigkeit tangiert. Die Schweiz muss nun über die Bücher und das Verhältnis zur EU grundsätzlich klären. Dazu gehören auch die institutionellen Fragen. Diese Haltung hat die EU-Kommission Ende April bestätigt.

Liberalisierung für alle…

Das wird dauern. Obwohl das Energieabkommen nun mal auf Eis gelegt ist, treibt der Bundesrat die Arbeiten zur vollständigen Öffnung des Schweizer Strommarkts voran. Am 8. Oktober 2014 hat er die Vernehmlassung eröffnet. Die Vorlage sieht vor, dass ab 2018 auch Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen ihren Stromanbieter frei wählen können. Wie bei der Krankenkasse können die Anbieter einmal jährlich gewechselt werden. Der Bund hofft, dass sich die regional sehr unterschiedlichen Strompreise in der Schweiz zumindest etwas annähern. SP, Grüne und die Gewerkschaften wollen die Öffnung allenfalls mit dem Referendum bekämpfen. Die Vernehmlassung dauert bis zum 22. Januar 2015. (Quelle:www.energie-aktuell.ch)